Anne Berghoff, Reinhard Wienberg, Bernd Mahro
Kurzfassung
Für eine gezielte Inanspruchnahme des natürlichen Schadstoffabbaus in Grundwasserkontaminationen (Natural Attenuation) ist es erforderlich, die dafür verantwortlichen Prozesse zu identifizieren, zu bewerten und zu quantifizieren. Ziel der hier durchgeführten Untersuchungen war es zu prüfen, inwieweit laborgestützte Mikrokosmenexperimente zu diesem Ziel beitragen können.
Mit Hilfe des an einem ehemaligen Kokereistandort gewonnenen Aquifermaterial wurden deshalb verschiedene Mikrokosmenversuchsreihen durchgeführt. Im Rahmen der Versuche konnte dabei für die meisten der untersuchten Schadstoffe, v.a. für Toluol, Naphthalin und m-, p-Xylol, nicht aber für o-Xylol und Ethylbenzol, ein anaerober Abbau nachgewiesen werden. Der Abbau erfolgte sequentiell: Zunächst wurde Toluol abgebaut, dann Naphthalin und m- p-Xylol. Erst im Anschluß daran fand ein Abbau von Acenaphthen und Fluoren und schließlich von Benzol statt. Proben mit erhöhter Abauaktivität wiesen dabei in der Regel auch eine erhöhte Gesamtzellzahl auf. Durch Versuche mit radioaktiven Schadstoffen sollte darüber hinaus die Beteiligung von sedimentgebundenen Minderungsprozessen quantifiziert und alle auftretenden NA-Prozesse bilanziert werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass eine Bildung nicht-extrahierbarer Rückstände, insbesondere für die höherkerningen PAK-Komponenten, auch unter den anaeroben Grundwasserbedingungen zum Verschwinden der Schadstoffe führt und somit maßgeblich zum NA-Potential beiträgt. Bei der Bewertung möglicher ENA-Maßnahmen zeigte sich, dass die Nutzung der alternativen Elektronenakzeptoren Sauerstoff und Nitrat im Vergleich zu dem am Standort genutzten Sulfat den Abbau beschleunigt. Der anaerobe Abbau mit Sulfat konnte durch die Zugabe von dreiwertigen Eisenverbindungen gesteigert werden. Diese reagieren dabei wahrscheinlich abiotisch mit Sulfid und mindern so dessen Toxizität. In Bezug auf das Mikrokosmendesign zeigte sich, dass wiederbeprobte Ansätze mit Standortwasser und Sediment (alternativ nur Grundwasser) die beste Einschätzung des Schadstoffabbaus ermöglichten. Um abiotische Verluste, z.B. durch Verflüchtigung, zu vermeiden, sollten Leerräume in den Versuchsgefäßen vermieden werden. Insgesamt spiegelten die Mikrokosmenversuche relativ gut die Prozesse am Standort wider, und nur in Einzelfällen traten Widersprüche zwischen Labor- und Geländeerhebungen auf. Allgemein bieten Mikrokosmenversuche somit vielfältige Möglichkeiten, die im Aquifer ablaufenden Prozesse zu identifizieren, diese qualitativ und quantitativ zu charakterisieren oder zu hinsichtlich der Stoffflüsse zu bilanzieren. Mikrokosmen sind somit als ein sehr wertvolles Instrument für die Bewertung von Selbstreinigungs-Prozessen im Aquifer anzusehen. Sie sollten deshalb neben anderen Methoden als „one line of evidence“ standardmäßig zur Bewertung des NA-Potentials eingesetzt werden.
Projekt im BMBF-Förderschwerpunkt KORA